Notizen eines King Crimson-Ironikers

Von Frank Apunkt Schneider
 
 
">>fremd[e]:...<<";

Szenischer Diskurs für ein beschließendes Organ des Berufsverbandes oberfränkischer Künstler e.V. und einen feministische Mediävistik studierenden tamillischen Pizzabringdienstlieferanten. 

Eine bescheidene Dekunstruktion der rekonstruktiven Signatur dekonstruktionistischer Gut-Gemeintheit; inklusive exemplarischen Bildanhangteil

Karger Raum, langer weißer Tisch mit Farbflecken und ein Teller mit ausgetrockneten Teebeuteln. 3 Aschenbecher, verteilt. Auf 9 unbequemen, orangen Plastik-Klappstühlen sitzen 7 oberfränkische Künstler und 2 oberfränkische Künstlerinnen, ein Computer älteren Modells ächzt leise vor sich hin, davor ein prototypischer Vierzehnjähriger auf einem Mineralwasserkasten. An der Wand, lehnend, 4 unbequeme, gelbe Plastik-Klappstühle. An der Wand, hängend, mit Spanholzlatten vernagelt und mit Kunstrasen für Modelleisenbahnen beklebt: 1 unbequemer, weinroter Plastik-Klappstuhl. Ein Film-Plakat: "Das Leben ist ein bodenloses Relief" von Star-Autorenfilmer Radispanowak Katachresis. Noch ein Film-Plakat: "Das Leben ist eine nach Sonnenaufgang hin gelegene Finca" (über den Cousin von Marlene Dietrich) von Dokumentarfilm-Wunderkind Pete Wyoming Dahlke.

Heinz-Rudolf Hinz (Bischofsgrün): Allen erstmal ein herzliches: >>Hallo!<< bei der neunten Vorstandssitzung von unserem >>Berufsverband oberfränkischer Künstler e.v.<<. Ja, ihr habt alle eine Mappe vor euch liegen, da ist der Kassenbericht ’97 drin und auch Zeitungsausschnitte, die die Gunda gesammelt hat. Daher geh ich auch gleich mal direkt >>in medias res<<. Es geht heute um unsere Gruppen-Projektausstellung in Naila in Zusammenarbeit mit >>Steigbügel<<, dem Kulturförderungsprogramm der Volks-und Raiffeisenbanken, Oberfranken. Der Herr Lorenz will in diesem Rahmen auch auf das neuentwickelte Modell der Kulturschaffenden-Finanzierung hinweisen, das in Zusammenarbeit mit dem Werner Schmidbauer von der Künstlersozialkasse erarbeitet wurde. Das Modell-Paket >>Nebenwidersprüche für Kulturstarter 2000<<, soll ich noch sagen, umfaßt spezielle Sonderleistungen wie keine Kontoführungsgebühren auf 3 Jahre und die Möglichkeit zur Ausstellung in allen Filialen. Ja, gut, das wär‘ also erledigt! Ihr habt’s gehört: >>Nebenwidersprüche für Kulturstarter 2000", vielleicht für den einen oder anderen, bzw. die eine oder andere, ganz interessant... So, ja, äh: Projektausstellung in Naila, wo ja gesagt wurde, daß wir uns da mal ein Thema vorsetzen wollen, das direkt oder indirekt, je nach dem, mit der Aktualität von Ereignissen zu tun hat, die gerade stattfinden und wo wir auch die Verantwortung, die wir als oberfränkische Künstler ja auch irgendwo haben, mal ganz direkt oder indirekt, wie gesagt: je nach dem, thematisch herausstreichen wollen. Da sind wir uns glaub‘ ich ziemlich einig, äh, wie ich eurem Nicken jetzt hier auch so entnehmen kann. Ja, wäre also dann praktisch zu klären, welches Thema wir in den Mittelpunkt stellen wollen. Und weil ich so eine thematische Grundsatzdiskussion, die ja auch immer was von >>Standortbestimmung<< hat, also enthält, für schon was relativ Zentrales, grad jetzt so im Bereich >>Kunst<< halte, wo man sich durchaus mal überlegen könnte, inwieweit man das nicht auch mal ein bißchen öffentlich machen kann, oder sogar: sollte, hab ich den Chrissie, das ist der Sohn von unserer Jutta Beerlauch, gebeten, das, was wir hier sagen, direkt und quasi in Echtzeit ins Internet zu stellen, so als Diskussionsforum, weil man da ja vielleicht auch nochmal die Chance hat, so verkrustete Strukturen aufzubrechen. Also, bittschön, sprecht langsam und ein bisserl deutlich. 

Henry Hümmer (Lichtenfels): Ja, gut, ich fang mal an. Also, was mich betrifft, ich finde zur Zeit ja das Thema >>Medien<< ganz spannend. Ich könnt‘ mir vorstellen, da zum Beispiel einen Installationsraum zum Thema >>Zlatko<< zu machen. Prominenz als Tautologie, und so.

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Mit dem Medienthema hab ich, obwohl ich prinzipiell in meiner Arbeit schon versuche, das Thema >>Medien<< miteinzubeziehen, insofern meine Probleme, als da dann wieder 90% Videoinstallationen gemacht werden, wie ich uns kenne. Ich fänd aber grad ein Thema, dem man sich v.a., ich sag jetzt mal: >>real-malerisch<< nähern sollte, spannend. Videoinstallation kauft ja auch keiner. Also, das mag ja zwar ganz hübsch sein, aber ein bisserl was zu fressen braucht der Mensch ja auch, haha. Ich hab ja jetzt auch vor allem mit Illustrationen zu Texten von Gertrude Stein, Ginka Steinwachs oder Rudolf Steiner experimentiert und ich denke, daß man da vor allem was machen könnte.

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Also ich bin definitiv für ein geschlechtsneutrales Thema! 

Volkmar Zeitlich (Rehau): Und auf jeden Fall was, wo mir nachher keine halb-abstrakten Landschaften kommen. Das finde ich immer irgendwie so >>bildungsbürgerlich<<. 

Kathrin Krabbe (Marktleugast): Ich kenn da eine total moosbewachsene Bildsäule an einem Feldweg bei Huppendorf. Die hab ich jetzt schon in drei verschiedenen Jahreszeiten fotographiert, vielleicht findet sich ja was, wo das prinzipiell – also, vom Prinzip her –reinpaßt.

Henry Hümmer (Lichtenfels): Welches Format, jetzt so?

Kathrin Krabbe (Marktleugast): 45 auf 30. Das war wegen dieser Mediamarktaktion.

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Die vom Jochen Pläsch? 

Kathrin Krabbe (Marktleugast): Nee, die wo jeder 45 auf 30 Abzug 5,90 gekostet hat.

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Ich fahr immer nach Tschechien rüber, da kriegst du Top-Abzüge 65 auf 80 für umgerechnet 3,90.

Heinz-Rudolf Hinz (Bischofsgrün): Ja, wo der Jürgen jetzt grad was von Tschechien sagt, fällt mir jetzt mal spontan das Thema >>fremd<< ein. Wir sollten es auf jeden Fall kleinschreiben.

Werner Leinritt (Burgkunstadt): Stimmt! >>fremd<< finde ich naheliegend. Mit der Kleinschreibung bin ich nicht so 100% einverstanden, aber da wäre dann halt drüber abzustimmen.

Kathrin Krabbe (Marktleugast): Also, das Thema >>fremd<< halte ich nur in Kleinschreibung für realisierbar. Schon wegen der kognitiven Dissonanz.

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Nee, kleingeschrieben wirkt immer so gewollt!

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Das wirkt überhaupt nicht gewollt!

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Was heißt eigentlich >>fremd<< auf hebräisch...? 

Heinz-Rudolf Hinz (Bischofsgrün): Ich bin grundsätzlich gegen hebräische Ausstellungstitel. Das ist zwar an sich gut und schön, versteht aber keiner.

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Ich mein ja bloß!

Jan Döhring (Stettfeld): Sind alle für >>fremd<<?

Alle: Ja!

Jan Döhring (Stettfeld): Gegenstimmen? 

Alle: Nö!

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Ok, >>fremd<<. Das muß aber schon im Titel irgendwie anzeigen, was es eigentlich bedeutet, >>fremd<< zu sein. Wir sollten daher unbedingt noch ein entsprechendes Satzzeichen hinzusetzen, das Fremdheitserfahrungen auf den Punkt bringt. FREMD – FRAGEZEICHEN wäre jetzt so mein erster Gedanke.

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Grundsätzlich: Ja! Ist mir jetzt aber im Speziellen von seiner semantischen Funktion her zu abschließend. Es sollte meines Erachtens eher ein Satzzeichen sein, das aber auf jeden Fall nochmal einen Spielraum aufreißt, daß die Leute auch mitkriegen, daß das >>Fremde<< vom thematischen Ansatz her nicht irgendwo außerhalb ihrer selbst liegt, äh, sondern einen ganz zentralen Aspekt von Menschsein ausmacht.

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Ich könnt‘ mir das recht eindringlich mit Doppelpunkt vorstellen, so, von wegen, man bringt ja seine eigene Bedeutung von >>fremd<< mit, und daß da dann so ein Austausch stattfindet. Und daß man, wenn man dann geht, plötzlich merkt, daß man einen ganz anderen Begriff vom Fremden wieder mitherausbringt, als wie man eigentlich hineingegangen ist.

Werner Leinritt (Burgkunstadt): Wenn man jetzt bloß die Ausländerschiene macht, greift es von meiner Seite aus zu kurz, eine Oma, die gerade ins Altersheim kommt, ist da ja erstmal genauso fremd wie meinetwegen jetzt einer, der aus Burkina Faso hierherkommt. Obwohl der natürlich irgendwo auch anders fremd ist als die Oma.

Heinz-Rudolf Hinz (Bischofsgrün): Kein Thema! Daß man gerade für sich selbst eine ganz persönliche Vorstellung von >>fremd<< mitbringt und aber auch gezwungen ist, die wiederum zur Disposition zu stellen, finde ich ja gerade das Spannende. Und der Deutlichkeit halber sage ich mal so ganz brainstormmäßig FREMD – DOPPELPUNKT – PUNKT – PUNKT – PUNKT.

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Genau! 

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Ich würd sogar sagen ANFÜHRUNGSZEICHEN, also nicht Gänsefüßchen, sondern so Größer-als-Zeichen, und hinten Kleiner-als-Zeichen. Also: GRÖSSER-ALS-ZEICHEN, doppelt, – FREMD – DOPPELPUNKT – PUNKT – PUNKT – PUNKT – KLEINER-ALS-ZEICHEN, doppelt.

Kathrin Grabbe (Marktleugast): Bin ich primär zu 85% völlig d’accord mit. Was mir aber vielleicht noch fehlt, ist, daß man nochmal die Ebene einzieht, wo man das Fremdsein nicht nur als Attribut begreift, wo einer sich vielleicht aus diesem oder jenem Grund fremd fühlt, sondern, daß man auch klar macht, daß der, der sich >>fremd<< fühlt, sich ja nur deshalb >>fremd<< fühlt, weil er ja auch in realiter >>fremd<< ist, er ist quasi – ich sag’s mal neutral – DAS >>Fremde<<, weil er aus DER >>Fremde<< kommt, klar, oder? Daher jetzt nochmal folgende prinzipiell zustimmende Ergänzung: GRÖSSER-ALS-ZEICHEN, doppelt – FREMD – ECKIGE KLAMMER AUF – KLEINES E – ECKIGE KLAMMER ZU – DOPPELPUNKT – PUNKT – PUNKT – PUNKT – KLEINER-ALS-ZEICHEN, doppelt.

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Wirkt das nicht etwas überladen? 

Alle: Nöhhhh!

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Naja, insofern das jetzt Konsens ist und jetzt nicht auch noch ein >>Körper<< irgendwo hingeklatscht wird, meinetwegen.

Jan Döhring (Stettfeld): Kennt Ihr >>Fremd in der eigenen Sprache<< von Julia Marx aus der Pieper-Sachbuchreihe? Hat letztes Jahr den Pestalozzipreis gekriegt, egal, jedenfalls geht’s da um so Versuche, mit Legasthenikern, also: Leseschwächlern, die dazu angeregt werden, ihre Biographie auf Diktiergerät zu sprechen und das wird dann abgetippt. Da merkt man mal, wie das zusammenhängt, also der >>Besitz<< von Schrift und die Konstruktion der eigenen Identität, die ja in unserer Kultur viel stärker über die Verschriftlichung läuft, als man gemeinhin mitkriegt.

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Wenn ich einen ganzen Raum für mich allein kriegen könnte, dann mach ich einen "Orpheus und Eurydike"-Zyklus, so in 12 Stationen, und pro Station kommt eine Farbe dazu von Weiß nach Schwarz.

Heinz-Rudolf Hinz (Bischofsgrün): Jetzt, Entschuldigung, wenn ich Dich vielleicht mal kurz unterbreche, aber bloß mal so als generelle Anfrage: ich tät mir schnell eine Pizza vom Francesco bestellen, wenn jemand was will, vielleicht?

(Lange, umständliche Pizzabestellung)

Henry Hümmer (Lichtenfels): Ich denke die Crux bei der Sache sieht doch folgendermaßen aus: Wir brauchen die Fremden. Viele leben von ihnen. Nicht nur durch den Tourismus, sondern auch durch Export und Import, und so wirtschaftliche Geschichten. Ihre kulturellen Erfahrungen, ihr Wissen, ihre Speisen nehmen wir gern: aber sie selbst?

Werner Leinritt (Burgkunstadt): Jetzt paß auf, das was Du jetzt gerade gesagt hast, diese Frage: >>Aber sie selbst?<<, brauchst Du die noch oder wäre es prinzipiell möglich, daß ich das als Bildtitel kriegen könnte. Weil, der Mann meiner Schwester hat doch ein Fitnessstudio, wo im Hinterhof ein Asylantenheim ist, und da gibt’s super Motive, so hingeworfenes Spielzeug, trauriges bosnisches Kind, Hackenkreuzschmierereien...

Bärbel Froehlich (Kulmbach): >>Angst vor dem Fremden<<, das ist doch die anthropologische Grundkonstante schlechthin, das ist ja einem praktisch von der biologischen Geschichte des Menschen her eingelegt worden, von der genetisch abgelagerten Erfahrung unserer Vorväter; aber der Punkt ist ja, daß man sich damit als aufgeklärter Mensch auseinandersetzen kann und irgendwo auch muß.

Jan Döhring (Stettfeld): Ich assoziiere da so Sachen wie: >>traurig<<, >>isoliert<<, daß einem in einer ganz bestimmten Situation ein ganz bestimmtes Wort nicht einfällt, also so sprachliche Defizite, Sprache ja natürlich ganz oben in puncto Fremdheitserfahrung, dann: >>ausgeschlossen<< sein, oft ja auch >>Hautfarbe<<...

Kathrin Krabbe (Marktleugast): Ich habe da mehr so Bilder im Kopf wie >>Hoffnungslosigkeit<<, >>Stumm-Sein<<, Berührungen, die nicht stattfinden, oder daß man jetzt aus einem Land, wo‘s heiß ist, in ein Land kommt, wo‘s kalt ist, also, auch wenn das jetzt unter Umständen etwas ungeschickt formuliert ist: >>Klimatische Unangepaßtheit<<...

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Ich denke, da kann man ja vor allem noch mal einiges an Bedeutungen aus dem Thema rausholen, indem man den jeweiligen Bildtitel, sagen wir ein Bild heißt jetzt zum Beispiel "Außenseiter", praktisch mit Gedankenstrichen voneinander abtrennt: "Außen-Seiter", um einfach nochmal die Wörter, die man im täglichen Gebrauch ja gar nicht mehr so unbedingt wahrnimmt, nochmal so voll zu verdeutlichen. Und die Arbeiten, die das dann auch machen thematisch, so als Klammer, kann man dann in einem Raum zusammenlegen, also zum Beispiel "Fremd-Gehen", "wohn-haft" oder "Sprach-Praxis"... 

Bernd-Christian Holz (Straßgiech): Oder so volle Kanne >>postmodern<<: "Post-Wert-Zeichen"...

Der Chrissie (Hirschaid): >>Geo-Dreieck<<...

Kathrin Krabbe (Marktleugast) zu Jürgen Schweinfurter (Rödenthal) gewandt:Hey, genau! Und der Raum heißt dann vielleicht >>Binde-Strich<<, was ja schon irgendwie ziemlich vieldeutig dann wiederum ist. Das würde, glaub ich, ganz gut passen, find ich.

Jan Döhring (Stettfeld) >>Binde-Strich<< ist schon auch gut, aber da fehlt noch so was, so was... Halt ich hab’s: >>Fremd.Wörter<<.

Werner Leinritt (Burgkunstadt): Wir müssen aber prizipiell schon auch aufpassen, daß die Ausstellung nicht zur >>Aus-Stellung<< wird.

Henry Hümmer (Lichtenfels): Ich denk, ich mach was mit einem >>Überseekoffer<<!

Werner Leinritt (Burgkunstadt): Es ist halt so, daß wir hierzulande so ein bisserl die, ich sag ma‘: >>Kultur für das Eigene<< verloren haben. Und um das >>Fremde<< begreifen zu können, also, ihr wißt schon, daß man die Fähigkeit für sich kreiert, darauf dann zuzugehen, also das hängt ja auch ganz integral damit zusammen, das >>Eigene<< für sich erst mal zu formulieren, also festlegen zu können, wo ich jetzt wie genau bin. Für sich zu erörtern, >>er-örtern<<, was das jetzt ist, dieses >>Eigene<<, als dessen Gegenüber sich dann das Fremde, das wir ja wahrnehmen wollen und zwar im Sinne von >>wahr-nehmen<<, dann gleichsam von selber erschafft. 

Volkmar Zeitlich (Rehau): Was mir da jetzt vorschwebt – ich phantasier jetzt einfach mal so rum – wäre, ausgehend von dem grundsätzlichen Gedanken, mal was mit Hummelfiguren machen zu wollen, wo sich ja das >>Fremde<< insofern spiegeln läßt, als ich die Hummelfiguren, die ich da jetzt ganz konkret vor Augen habe, mit dem Adoptivsohn von der Mireille in so einem Türkenladen, ihr wißt schon, wo es diesen wunderbaren Türkenkitsch gibt, in Brüssel gekauft habe, also die Mireille hat ihrem Adoptivsohn da so’n Billig-Keyboard gekauft, damit er mal aufhört zu quengeln, weil wir uns ja noch das Atomium anschauen wollten...

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Echt, der Marius is‘ adoptiert !?!

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Natürlich ist der adoptiert, das sieht man doch!

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Das sieht man überhaupt nicht. Die schauen sich doch total ähnlich, die Augen und dann der Hang zur Korpulenz.

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Der ist halt an sich etwas adipös, aber bei der Mireille kommt das ja vom Stoffwechsel her.

Volkmar Zeitlich (Rehau): Jedenfalls hab ich mir da so Hummelfiguren gekauft. Und mit denen wollte ich schon lang mal was machen, und da böte sich jetzt, bezogen auf das Thema >>fremd<< an, die in den Sicherungskasten von dem >>Palais Parlando<< zu stellen, ganz objektiv als >>Fremdkörper<< und vorne drauf irgendwie so’n Foto von der Hummelfigur zu kleben und wenn man dann den Sicherungskasten aufmacht, ist da auch die gleiche Hummelfigur drin, die auch vorne drauf abgebildet ist.

Werner Leinritt (Burgkunstadt): Finde ich jetzt prinzipiell ganz sinnig, aber Du mußt dann natürlich schon in der konzeptionellen Formulierungsphase berücksichtigen, daß der Sicherungskasten vom >>Palais<< natürlich nicht allgemein zugänglich ist. Der ist ja im Keller und den Kellerschlüssel hat, glaub ich, der Dietmar und der ist ja gerade in Kreta, und das müßtet ihr erst natürlich noch absprechen, also inwieweit man den Sicherungskasten, der für sich genommen natürlich schon eine gute Idee ist, dann heranziehen kann und auf welcher Vermittlungsebene der auch für den Besucher verfügbar sein müßte, das heißt: funktioniert.

Kathrin Krabbe (Marktleugast): Stichwort >>Gastarbeiter<< ... Was mir da jetzt in den Sinn kommt sind diese Feuchtigkeitsmesser, diese Schreibgeräte, die in Ausstellungsräumen immer rumstehen. Man könnte doch...

Der Chrissie (Hirschaid): Ey, da kommt was online rein. Von Alfred Biolek, aha? Ich edier’s am besten Mal über‘s Sprechprogramm.

Computerstimme: Fremdenangst ist ja so ein typisches Biertrinker-Ding, ich als Weintrinker lebe ja mit dem >>Fremden<<, zum Beispiel kalifornischer Rotwein, da habe ich zwar durchaus meine ökologischen Bedenken, aber ansonsten überhaupt keine Berührungsangst. Und da fängt das ja an: Berührungsängste, fehlende Möglichkeit zur Kommunikation...Wenn es für mich soetwas wie eine >>Ikone der Fremdheitserfahrung<< gibt, dann ist das der Kafka. Einerseits als Angehöriger des deutschsprachigen Bevölkerungsanteils in Prag, dann natürlich Jude und gleichzeitig auch diese Entfremdung von der Herkunftsfamilie, diese Geschichte da mit dem Vater und wo es da ja auch diesen >>Brief an den Vater<< gibt, wo der Kafka ja sich das alles von der Seele schreibt, diese Anklage. Ich empfinde das als eine Art >>Quadratur der Fremdheit<<.

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Wahnsinn, der Biolek!

Kathrin Grabbe (Marktleugast): ...wo ich hin will...

Der Chrissie (Hirschaid): Ich laß mal noch die anderen Dikussionsbeiträge raus! Also einmal wäre da der Janbelt Tervooren aus Zwolle, Holland. Ich fahr’s mal ab...

Computerstimme: Ich bin eine niederlandse Kunstler und finde es gut, um eine Performance zum Thema >>vreemd<< zu machen. In die Niederlande wir arbeiten sehr viel mit die Thema von >>das vreemden<<. Bei uns ist es oft in die einzelne Stadtteilcentrum dargestellt. Die Material ist Stein und die Rede von den Skulpture ist die Qualität von die Miteinander-Leben. Aber >>vreemd<< heißt bei uns neben >>vreemd<< auch >>seltsam<< und je nach Schoolabsolvatie sogar >>beunruigiged<<. Ich selbst habe schon eine Skulptur von dem Thema gekonstruirt...

Der Chrissie (Hirschaid): Ja, das war einmal jetzt der Janbelt Tervoorn und ich hätt‘ jetzt noch den Joachim Bublath für euch. Moment....Speichern unter.....Ok! Läuft!

Computerstimme: Fremd im eigenen Bizirk zu sein...

Der Chrissie (Hirschaid): Bizirk? Das is‘ wohl’n Tippfehler, das soll wohl >>Bezirk<< heißen...

Computerstimme: ...ist für mich eine ganz grundsätzliche Erfahrung, die man als Künstler übrigens ganz leicht zuhause nachbauen kann: 

Die Tür geht auf, herein kommt, ein tamillischer Pizzabringdienstlieferant

Tamillischer Pizzabringdienstlieferant:Grüüüüß Gott! Die Pizza! Also, dreimal >>Südtirol<<, groß, einmal ohne Bauernspeck, die Rigatoni, zweimal, die mit doppelt Käse sind die mit dem Kreuz drauf, Decamerone Funghi, Salat Meeresfrüchte ohne Ruccola, einmal Spezial, klein, zusammen?

Heinz-Rudolf Hinz (Bischofsgrün): Jaja zusammen, aber wir bräuchten da’ne Quittung drüber.

Tamillischer Pizzabringdienstlieferant:Ja, bitteschön!

Jan Döhring (Stettfeld): Äh, Entschuldigung, jetzt mal ‘ne vielleicht etwas komische Frage, aber vielleicht das Du nochmal reinkommen könntest, da, mit deinen Pizzas. Einfach mal so schnell. Weil, halt irgendwie, daß ich’s mal fotographieren könnte, einfach nur mal so ganz schnell so unter Umständen, also, wenn das o.k. ist. 

Tamillischer Pizzabringdienstlieferant: Wieso?

Jan Döhring (Stettfeld): Ja, naja, äh, weil wir machen da so’ne Ausstellung zu dem Thema >>fremd<< und so und das mit der Pizza und so, halt, naja, es wär jetzt auch nicht so, daß man da jetzt was erkennen könnte, so von dir und so, halt nur wegen der Bewegung, die ich halt jetzt nur von ihrer Struktur her als Malvorlage an sich, und dann werden da eh noch so Zeitungsausschnitte und was weiß ich, vielleicht Draht drumherumgemacht, und; naja, halt jetzt nur halt so ganz allgemein: >>fremd<<.

Tamillischer Pizzabringdienstlieferant: Ja, aber, jetzt mal so ganz konkret, da fühl ich mich gar nicht fremd, ich bin in Wuppertal geboren und studier hier in Bamberg Mediävistik und schreibe grade meine Diss über die These einer weiblichen Urheberschaft des Nibelungenliedes, also, nöh!

Jan Döhring (Stettfeld): Ja, aber das sieht man auf dem Bild doch nicht!

Tamillischer Pizzabringdienstlieferant: Ja, trotzdem aber nöh! Ne, also hab ich keinen Bock drauf, nö. Also wirklich nicht! Nee! Also, nein, das paßt auch nicht. Is‘ mir jetzt zu ..., weiß auch nicht...

Jan Döhring (Stettfeld): Ja, entschuldige, war nur so eine Idee, jetzt!

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Boah, das ist jetzt aber schon ein ganz schön platter Schluß!

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal): Ja, aber das ist glaub ich wegen der Didaxe.

Bärbel Froehlich (Kulmbach): Didaxe? Was soll’n das schon wieder sein.

Jürgen Schweinfurter (Rödenthal):Na, halt, wenn was >>didaktisch<< ist.

Bärbel Froehlich: Achso!

Vorhang

Aufgabe: Welche generellen Denkfehler enthält die Auseinandersetzung der oberfränkischen Künstler mit dem Thema >>fremd<<? Auf welchen Ebenen finden hier umso bezeichnendere Mißverständnisse statt? Andererseits: kann man das >>Fremde<< je anders, als über ein Mißverständnis konstruieren? Aber ist dieses Mißverständnis im vorliegenden Fall auch >>produktiv<< (Thomas Meinecke)? Durch welche Begriffe wird das >>Fremde<< im vorstehenden Text bestimmt. Diskutiere die darin sich manifestierenden Anschauungsformen. Kennst auch Du >>Fremde<<? Lache die oberfränkischen Künstler nicht aus, sondern mache dir deine eigenen Gedanken zu dem Thema und teile sie über Internet anderen Leuten mit. Beschränke Dich dabei nicht auf Deine Altersgruppe.

(Der Autor ist Mitglied der Künstlergruppe Winkelwurst, die sich seit 1993 mit der Dekonstruktion oberfränkischer Berufsverbandskunst beschäftigt.)